Nostalgie

  • Text - Christoph Olwärther | Photos - Jonathan Danko Kielkowski

Nostalgie

Nostalgie – ein Begriff, mit dem jeder auf seine Weise konfrontiert wird. Sie stellt Vergangenes in ein unvorstellbar schönes Licht dar und verwaist die Gegenwart in den kalten, trüben Schatten. Ihr Auftreten impliziert Kummer, da sie unmittelbar mit dem Drang verbunden ist, die Vergangenheit zurückzuholen. Doch Kummer ist nicht ihre einzige Folge, denn sie macht auch einen Widerspruch der menschlichen Existenz erkennbar.
Dieser besteht darin, da zum einen die Anzahl an Eindrücken ständig wächst und dementsprechend das Leben mehr Ballast mit sich zieht. Zum anderen aber, vergeht die Zeit gefühlt umso schneller, Jahre vergehen wie im Flug; man möchte die Zeit zum Anhalten quasi zwingen. Es scheint so, als könne man auf einer Wanderung schneller laufen, obwohl fortwährend das Gepäck sich vermehrt. Man findet sich in den Erinnerungen nicht mehr zu Recht, verliert den Überblick und gleichzeitig scheint es mit Leben immer schneller fortzuschreiten – zu schnell um alle Eindrücke zu verarbeiten. Es diese Form der Ambivalenz, die das Wesen der Nostalgie demonstriert und uns in einem melancholischen Bewusstsein zurücklassen kann.
Wie gilt es nun mit der Nostalgie umzugehen? Wird sie ignoriert, tut man den eigenen Erinnerungen Unrecht. Egal ob positiv oder negativ, sie müssen verarbeitet werden, ihre Wesen liegen eben im Prozess des Sich-Erinnern. Widmet man aber seine gesamte Aufmerksamkeit und Lebenskraft der Nostalgie, so verliert man den Bezug zur Gegenwart, zum realen unmittelbaren Leben. Man versucht dabei Veränderungen zu ignorieren, als rudere man gegen den übermächtigen Strom der Geschichte.
Sie ist auf der einen Seite eine wichtige Medizin gegen das Vergessen, auf anderen Seite eine Droge, deren Entzug kalt und verletzlich sich sein kann. Genau zwischen diesen Extremen bedarf es einen Mittelweg. Wie dieser auszusehen hat, muss der Einzelne für sich entscheiden, eine objektive Lebenskunst ist daher undenkbar. Nur in einer der Extremen zu leben ist gefährlich. Vergessen ist nie vorteilhaft und immer eine Form der Naivität. Klammert man sich jedoch an der Nostalgie, so hält man unter Umständen auch an alten, überholten Idealen fest, die den notwendigen Drang zu Veränderung unterdrücken und auf einen verfehlten Status Quo beharren. Naivität oder Angst, das sind die Folgen des falschen Umgangs mit der Nostalgie. Gute Ratgeber sind und waren beide Begriffe jedoch nie.
Veröffentlicht am 07.12.2020 von Jonathan Danko

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